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 (Fotos: Udo Schmitt)



 

Das 21. Poetenfest in Erlangen - Lesender: Hans Christoph Buch

 
 
Nicht nur für Literaturfreunde in der Umgebung Erlangens ist das letzte Wochenende im August ein Pflichttermin, denn dann findet regelmäßig, inzwischen zum 22. Mal, das Erlanger Poetenfest statt. Auf dem 1980 gegründeten Literaturfestival  waren bereits weit über 400 Schriftsteller, Publizisten, Literaturkritiker und Musiker zu Gast. Der Schloßgarten bietet dabei eine wunderschöne Kulisse. Dort kann man unter Bäumen in enspannter Atmosphäre den verschiedenen Vorträgen zuhören. Im  Markgrafentheater und im Redoutensaal finden weitere Darbietungen statt, etwa Autorenportraits oder Podiumsdiskussionen.

 
 
Die Journalistin Verena Auffermann im Gespräch mit dem Autor Moritz Rinke
 
Fast ausschließlich werden soeben erschienene Bücher präsentiert. War in den Anfangsjahren auch Lyrik vertreten, so überwiegt inzwischen der Roman. Regelmäßig sind die Träger des Ingeborg-Bachmann-Preises zu Gast, das "literarische Debüt" hat sich als fester Bestandteil etabliert. Neben den Hauptvorlesungen findet man auf Nebenpodien die Gelegenheit, seine favorisierten Autoren genauer kennen zu lernen oder sie zu ihren Werken zu befragen. Die Gesprächsleitung übernimmt dabei meist ein bekannter Kritiker oder Journalist (Sigrid Löffler, Hajo Steinert (DLF), Verena Auffermann). 

 
 
 
 Sigrid Löffler im Gespräch mit Eginald Schlattner
Folgende Autoren sind mir in besonderer Weise im Gedächtnis geblieben: Ludwig Fels (Poetenfest 1980), Erich Loest (1983), der Nürnberger Mundartdichter Fitzgerald Kusz (1984) , Monika Maron (1984). Monika Maron begeisterte mit einfühlsamer Lyrik und ihrem Roman "Flugasche". Damals hatte es noch einen exotischen touch, das Buch eines DDR-Autoren zu lesen und man vermutete in der kleinsten Andeutung Systemkritik. Joseph von Westphalen (1988) zog das Publikum mit seinen satirischen Seitenhieben in seinen Bann. 

Einen bleibenden Eindruck hinterlassen natürlich vor allem die sehr etablierten Autoren wie: Tankred Dorst (1989), Rolf Hochhuth (1990), Ulla Hahn (1991), Martin Walser (1993), Ilse Aichinger (1996), Peter Härting (1996) und Sarah Kirsch (1997).


 
 
 
Zu meiner größten Entdeckung in den über 20 Jahren Poetenfest gehört neben Monika Maron und Joseph von Westphalen zweifellos Robert Menasse. Im Vergleich zu literarischen Leichtgewichten, die oft sehr schnell wieder von der Bildfläche des Literaturbetriebes verschwinden, ist Robert Menasse ein gutes Lehrbeispiel dafür, was einen guten Schriftsteller ausmacht, wieviel Arbeit in einem gründlich recherchierten Buch steckt und wieviel Wissen es einem Autor abverlangt. Bücher, wie (exemplarisch genannt) etwa die des sehr jungen Schriftstellers Andreas Neumeister vermögen zunächst wegen ihres frischen Erzählstils zu begeistern  - bei näherer Betrachtung fällt jedoch auch die Substanzlosigkeit des entsprechenden Werkes auf.   
Robert Menasse signiert sein Buch "Die Vertreibung aus der Hölle"
 

 
 
 
 
Robert Menasse: Vertreibung aus der Hölle
Susanne Riedel: Kains Töchter
Johanna Walser: Vor dem Leben stehend

 
Auf dem Poetenfest kann man auch sehr gut beobachten, wie unterschiedlich (je nach Charakter) die entsprechenden Autoren ihr Werk und damit sich selber verkaufen. Während Menasse mit großer Souveränität auftrat (Poetenfest 2001) (die teilweise etwas überheblich wirkt, was dem Publikumsliebling jedoch nicht zu schaden scheint), war Susanne Riedel (ebenso 2001) bei ihrem Auftritt noch geprägt von dem Verriß durch das Literarische Quartett (ZDF-Fernsehsendung mit Marcel Reich-Ranicki) ein paar Tage vorher. Ihr sprachlich faszinierendes Werk "Kains Töchter" (Zitat: In den letzten Januartagen, als die Menschen des Nachts wie lackierte Eiswürfel in ihren Betten lagen und nur manchmal mit einem leisen Klirren gegeneinanderstießen, kam in den Bergen mein Onkel Zack zur Welt), das ebenso auffällt durch seine inhaltliche Abstrusität, vermochte die Kritikerin Veronika Auffermann nicht zu überzeugen; und so zeigte Susanne Riedel ihre Empfindlichkeiten auch auf dem Erlanger Poetenfest. Beharrlich bestand sie etwa auf die literarische Freiheit, Eiswürfel lackieren zu können, auch wenn sich das in der Realität niemand vorstellen konnte.

 
 
 
Andreas Neumeister: Apfel vom Baum im Kies
Andreas Neumeister: Salz im Blut
Joseph von Westphalen: Im diplomatischen Dienst

 
Das Erlanger Poetenfest ist ein großer Genuß - bei Sonnenschein. Bei unbeständiger Witterung findet die Veranstaltung im Redoutensaal statt. Hier ist fast nichts von dem Reiz zu spüren, den das Fest im Schloßgarten hat. Ein weiterer Negativpunkt ist die Musik (Klaus Treuheit Trio): Seit Anbeginn begleitet die "Free-Jazz"-Truppe die Literaturveranstaltung und malträtiert die Besucher in den Lesepausen mit ihrer "anstrengenden" Musik . Da die Lesungen dem Zuhörer bereits ein hohes Maß an Konzentration abverlangen, wäre eine "erholsamere" Musik meines Erachtens nach angebrachter.

Das Poetenfest findet hauptsächlich am Samstag/Sonntag (letztes Augustwochenende) statt, ist jedoch inzwischen auf 4 Tage (ab Donnerstag) ausgedehnt worden. Bislang war die Veranstaltung kostenlos (ausgenommen die Darbietungen im Markgrafentheater). Wegen der Finanzlage wird jedoch z.Z. erwogen, Eintritt für das Poetenfest zu verlangen bzw. das Poetenfest ganz "sterben zu lassen". Schuld daran ist der Hick-Hack zwischen Kulturverantwortlichen und dem Stadtrat. Es bleibt abzuwarten, ob das Poetenfest in den kommenden Jahren auf gleich hohem Standard wie in den vergangenen Jahren abgehalten werden kann.
 
 

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