An der Wand

Du stehst an der Wand 
mit der Stirn an der Wand 
Die Augen sehen nichts 
als die Wand 

Du spürst diese Wand 
und schmeckst diese Wand 
und weißt, dass alles 
alles - Irrtum war 

Udo Schmitt, Juni  2001

 

 
 
 
 

 


 



 

 

 

Getrieben vom Strom

Der Fluss wird langsam und weit 
bewegt mit Macht seine Massen 

Mir sind alle Ufer seit langem vertraut 
sie ändern sich nicht mit der Zeit 

Das dunkle Ufer zur Linken: 
Berge, Wälder und Schluchten 
dahinter ein mahnendes, grußloses Winken 
es wirft seine Schatten voraus 

Das helle Ufer zur Rechten: 
Trockene Steppen und ewiger Sand 
ein pfeifender Wind weht über das Land 
durchdringt das verlassene Haus 

Es fließt die Zeit wie ein Strom 
hin zum offenen Meer

Dort treffen sich alle getriebenen Wesen  

und träumen von Wiederkehr

Udo Schmitt, Januar 2002

 

 
 
 



 

 

Die Qual der Wahl (Deutschland im Wahljahr 2005)

Rentnertruppe, hemdsärmelig
keucht die Hauptstraße hoch
Nordic-Walking-Sticks-Gewitter
        Deutschland schreitet zur Wahl 

Just Lust ist jung und schön
aber arbeitslos
Er scheißt auf Schröder und Merkel
Und Schröder und Merkel scheißen auf ihn

 

 

Udo Schmitt, September 2005

 
 
 
 



 

Zwischengedanke

Eine kraftlose Sonne
Ein karger Baum
Du redest von Dingen die fern sind
und immer weht seufzend der Wind

Ein Gedanke dazwischen:
        Etwas geht zu Ende
Ich denk' an die letzte Berührung
und an den letzten Blick der kommt
 

Udo Schmitt, April 2006

 
 
 
 


 
 
 
 

Wir machen die Türe jetzt zu

Es war wie ein Spiel
wir schufen Häuser, Menschen und Gärten
Worte, Bilder und Klang

Da kamen Fremde herbei
und glaubten an das was sie sahen
Menschen, Worte und Klang

Und als das Spiel vorbei war
war plötzlich nichts von Belang
Kein Mensch mehr, kein Wort und kein Klang

 

Udo Schmitt, April 2006

 

 
 
 


 

 

 

Südwärts

(desl Themenposting zum Thema "Heimat")

 

Zwischen sanften Wellen
blau schattierter Wälder
und steinig, karger Erde
breite ich mein Leben aus

Nicht weit von hier
wo alles steil zum Himmel ragt
fliegt an manchen klaren Tagen
ein Gedanke bis zum Meer

Doch wo mein Land zur Ruhe kommt
Städte wachsen, sich entfalten
fühle ich mich nicht zu Haus

Die grünen Wiesen warten anderswo
Und gibt es noch so viele Wege
meine Straße, die führt südwärts

 

Udo Schmitt, April 2006

 
 
 

 

 




 

Endlos (zu spät für die Liebe)

Es waren die Tage so lautlos
Gesprochen kein einziges Wort
das zählt

Der Sommer geht leise zu Ende
Die Freunde verkauft und glückselig
vermählt

Der Winter umarmt alle Einsamen
Und macht dich ein Stückchen kälter

Der Frühling empfängt dich nicht neugeboren
nur ein endlos langes Jahr älter

 

Udo Schmitt, August 2006

     

 

 


 

 
 

 

Mit dir allein

Es entsteht keine Melodie
über dem gleichmäßigen Takt deines Atems
Es wachsen nur Bilder aus dem
was war

War es genug?
Waren die Tage im Sonnenschein 
dir gut genug?

War dein letzter klarer Gedanke
schön wie eine glatt geschliffene Welle
aus Cedernholz
oder schrill wie ein 
herabstürzendes Riff?

 

 

Udo Schmitt, 29. 8. 2006

 


 

   

   

 




 

 

 

 

 

 

Von gestern auf heute

Deine Brille liegt noch da
und deine Armbanduhr

Die Bilder der Kinder
ein bunter Schmetterling
und eine Eule, in einem Astloch sitzend
hängen an der Wand

Die Hausschuhe unter dem Bett

stehen ordentlich nebeneinander

 

Nur du 

Du bist jetzt wo anders

 

 

Udo Schmitt, 30. August 2006

 
 

 




 

 

Mein Glaube und die verlorene Zeit

Und wieder zaubert der Herbst
sein sanftes Licht in die Bäume
Es könnte so schön sein
Wäre da nicht dieses Fehlen

Und wieder ein stiller Mann mehr auf der Welt
der Blumen im Herbst zögernd wegräumt
und auf den Frühling wartet der kommt
Wäre nur nicht dieses Fehlen

Die Blumen verwelken so schnell
und Zeit, sie entsteht und vergeht
Nie hab' ich gelernt an das Nächste zu glauben
Mein Glaube sagt: Jetzt ist sie zeitlos

Udo Schmitt, September 2006

 

 

   

 




 

Der Himmel von gestern

Heute betrübt sich
der Himmel von gestern

Der Himmel von gestern
So blau und so schön

So schön war der Himmel noch gestern

Von gestern auf heute
vollends betrübt

 

Udo Schmitt, September 2006

 
 

 




 

 

 

 

Sonntag Morgen

Fallendes Licht! 

Hell und klar 
Besucht uns der Herbst 

Kinder und Frauen 
bilden den Kreis des Lebens 

Aus Kirchen strömen Menschen 
Sie heißen Gemeinde 

Lassen jeden zurück 
der am Sonntag Morgen 
nicht einsam sein will

 

Udo Schmitt, September 2006

 

 

 

 

 

 
 

 

 

 

 

 

 

 




 

 

Mein Traum

Es begab sich aber, dass ich am Mittag 
in meiner Hängematte einschlief
und unter dem strahlenden Weiß 
des in voller Blüte stehenden Apfelbaumes 
träumte
ich sei Jesus

Und während noch das Wasserblau des Himmels
zwischen die Apfelblüten hindurch tropfte
Spürte ich schon 
deinen Kuss auf der Wange
und du 

die Silberlinge in deiner Hand

Hier wird kein Stein auf dem anderen bleiben
Kein Wort wird es geben
das bleibt
Niemand kennt den Tag
oder die Stunde
in der das Sterben uns eint


Udo Schmitt, April 2007

 


 

 

 




 

Im Schuhkarton

Menschen fühlen sich verbunden
hängen zusammen
wie Maikäfer im Schuhkarton des Vierjährigen

Dieser Stallgeruch bringt mich um
Das Kribbeln und Krabbeln
Übereinander und untereinander hinweg


Berührungen bis zur endgültigen
Verschmelzung im Dreck

Udo Schmitt, April 2007

 

 

 

 




 

Licht und Schatten

Im Lichtschatten des Baumes
hast du mir
reinen Wein eingeschenkt

Im Schattenlicht des Baumes
haben wir ihn dann
zusammen getrunken


Udo Schmitt, April 2007

 

 




 

Zum Leben erwacht

Damals, als der Sommerwind
noch zart über dein junges Gesicht strich
konntest du nicht ahnen
dass dein unbeschwertes Lächeln einmal - eingefroren
in einer Glasvitrine enden würde

Heute, da der Südwind
nur noch über einen glatt geschliffenen
Stein streicht und der Frohsinn anderer
so sinnlos erscheint
dachte ich wieder an dein Bild

Und dieses Bild
bewegte sich allmählich

Udo Schmitt, Mail 2007

 

 




 

Madame Bigoudi mit caniche Astérisque

Madame Bigoudi mit caniche Astérisque
spricht nicht sehr viel Deutsch, nicht sehr gut, nur ein bisske
Der Pudel frisiert, so mit Schleifchen und Jäckchen
Das Frauchen toupiert, mit Kostüm und mit Täschchen

So laufen die beiden die Straße hinunter
Die Menschen sie flüchten in Häuser mitunter
Denn Asterisque pinkelt jeden ans Bein
er kann es nicht lassen, es muss einfach sein

Zuhaus ihr Monsieur déclaration d'impôt
Er weiß nichts von all der irritation
Von all den Menschen die leiden ein bisske
wegen der pisse von Astérisque

Udo Schmitt, Juni 2007

 

 

 




 

 

Das unheilbare Leiden der Herrn von Gudden, Hagen, Grashey und Hubrich

Heute öffnet es sich uns ganz
ungeniert, frontal vaginal, breitbeinig
Gesäumt von sorgsam
gestutzten Buchsbäumchen
bahnt sich der Weg
bis hin zur steingewordenen Vision
des Schlosses von Versaille

Prienavera - vom andern Ufer möchte man eindringen
in die einst so verschlossene, homoerotische Welt
des Wahnsinnigen
in der ein blauer, gläserner Mond
mit einem kleinen, kerzenflackernden Licht
am Fuße des goldverzierten Bettes
beim masturubativen Träumen half

Der raue Wind wehte herüber
vom wilden Kaiser auf die
einsame Insel des schwachen, debilen Königs
auf der heute ein perfekt organisiertes
computergestütztes Massenabfertigungssystem
die Schlangen durch die Träume des Königs
treibt

Udo Schmitt, August  2007



 

 

 

 

 




 

 

 

 

Impression in blauschwarz

Eine perfekte Menschmaschine
auf zwei Rädern, geduckt


gleitet vorbei, verschwindet
in den Blauschattierungen der

Bergkette, strebt höher
bis ins All - und mir
wird ganz schwarz vor Augen

 

Udo Schmitt, August  2007

 



 

 




 

 

PeterLicht kommt nicht zum Essen

(zum Erlanger Poetefest 2007)

 

 

Mengen von Halbverdautem fließen
langsam durch das geöffnete Fenster
Kleine Stückchen erkennen wir wieder:
Die Früchte des Kapitalismus

Es sind all die Dinge
die gestern noch so
schön und prall
und voller Leben waren

Der schwarz bebrillte Kopf
hinter dem zerknüllten Federbett
spricht über seine
Beweggründe:

Ich möchte nichts von mir zugeben
    müssen
aber trotzdem über die wahren Dinge des Lebens schreiben
    können

Udo Schmitt, August  2007





 
 
 


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